Die Energieerfassung auf landwirtschaftlichen Betrieben umfasst die Messung, Speicherung und Dokumentation von Energieströmen. Die Energieströme können aus Sicht des Betriebes einen Energiebezug oder eine Energieerzeugung darstellen. Der Nutzen der Daten besteht im Wesentlichen aus der Zuordnung der Energieströme zu Betriebszweigen, Arbeitsvorgängen, Maschinen und sonstigen Energieverbrauchern oder -erzeugern.
Landwirtschaftliche Betriebe nutzen im Wesentlichen elektrische und chemische Energie. Während elektrische Energie sehr vielfältig eingesetzt wird, findet die chemische Energie vorwiegend in Form von Kraftstoff für Maschinen und Brennstoff für Prozesswärme Verwendung. Die verbrauchsspezifische Erfassung von Energieströmen ermöglicht die Zuordnung des Energieeinsatzes zu einem damit hergestellten Produkt oder einer durchgeführten Arbeit. Der Energiebezug ist oft nur für den ganzen Betrieb über einen längeren Zeitraum bekannt. Eine Jahresrechnung des Energieversorgers für elektrische Energie oder die Rechnungen für Kraftstoffeinkäufe ermöglichen nur Vergleiche mit vorherigen Zeiträumen. Für detailliertere Betrachtungen ist die Erfassung von einzelnen Betriebszweigen, Verbrauchern oder Maschinen in höherer zeitlicher Auflösung notwendig.
Elektrische Energieerzeugung findet überwiegend mit Photovoltaik- und Biogasanlagen statt. Die Abwärme von Biogasanlagen kann wiederum als Heiz- und Prozesswärme genutzt werden. Energieerzeugungsanlagen besitzen meist eine detaillierte Energiemessung mit Möglichkeiten zur Auswertung und Analyse der Daten [1]. Heiz- und Prozesswärme, die beispielsweise als Nebenprodukt einer Biogasanlage entsteht, kann auf dem eigenen Betrieb genutzt werden oder extern vermarktet werden.
Einfache mechanische Elektrizitätszähler, umgangssprachlich als Stromzähler bezeichnet, summieren die bezogene oder eingespeiste Energie über die Zeit auf. Durch manuelle Dokumentation der Zählerstände können Tages-, Wochen- oder Monatswerte berechnet werden. Elektronische Elektrizitätszähler, sogenannte Smart Meter, erfassen automatisch Tages - und Viertelstundenwerte. Abhängig vom Vertrag mit dem Energieversorger werden diese Energiedaten zum Energieversorger übertragen und können vom Kunden als Datensatz angefordert werden [2].
Bis zum Jahr 2032 sollen alle Messstellen der Energieversorger auf Smart Meter umgestellt sein. Die Umstellung auf Smart Meter bei Kunden mit einem jährlichen elektrischen Energieverbrauch von mehr als 10.000 kWh läuft seit 2017, sodass auf vielen landwirtschaftlichen Betrieben bereits Smart Meter verbaut sind [3].
Darüber hinaus gibt es Messsysteme am Markt, die detailliertere Messungen erlauben und in die vorhandene Elektroinstallation integriert werden können. Diese Messsysteme bestehen meist aus einem Grundgerät, das den Gesamtenergiefluss in eine Unterverteilung messen kann und optionale zusätzliche Stromsensoren für einzelne Stromkreise.
An das Grundgerät angeschlossene Stromsensoren können weitere Geräte oder Maschinen einzeln vermessen. Die Stromsensoren werden gewöhnlich an den Abgängen der Leitungsschutzautomaten verbaut.
Die kompakte Bauform der Stromsensoren ermöglicht die nachträgliche Installation in einem elektrischen Verteilerschrank. Die Messsysteme zeichnen kontinuierlich Daten mit einer zeitlichen Auflösung von bis zu einer Minute auf. Die Daten können automatisiert über Netzwerk per E-Mail oder als ftp-Upload exportiert werden.
Kraft- und Brennstoffverbrauch lässt sich manuell durch Ablesen eines Peilstabs oder durch die Dokumentation von Tankvorgängen erfassen. Bei modernen Zugmaschinen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit elektronisch geregelten Einspritzpumpen kann der Kraftstoffverbrauch über den ISOBUS ausgelesen werden [5]. Viele Landmaschinenhersteller bieten eigene Lösungen an, um den Kraftstoffverbrauch und weitere Daten wie die Flächenleistungen zu erfassen und zu dokumentieren. Außerdem gibt es herstellerübergreifende Lösungen, die dafür den ISOBUS als Datenquelle nutzen.
Mit einem Messgerät für elektrische Energie kann beispielsweise der Gesamtbedarf eines Melkstandes gemessen werden, um den Energieaufwand auf die Milchmenge zu beziehen. Mit der separaten Vermessung einer Milchkühlung kann der Nutzen möglicher Anlagenoptimierungen wie einem Milchvorkühler vorab berechnet werden. Unerwartete Änderungen im Energiebedarf einer Anlage oder einzelnen gemessenen Geräten können Hinweise auf technische Defekte geben.
Einzeln vermessene Verbraucher können in Verbrauchsgruppen unterteilt werden. Dies erleichtert den Vergleich mit anderen Betrieben. Eine zeitliche Einteilung erleichtert die Interpretation jahreszeitlicher Änderungen.
Der zeitliche Verlauf der elektrischen Leistung wird als Lastgang bezeichnet. Der mittlere Tageslastgang des Gesamtbetriebes ist besonders wichtig, wenn elektrische Energie genutzt werden soll, die auf dem eigenen Betrieb erzeugt wird. Dieser Lastgang ist eine Planungsgrundlage für eine Eigenerzeugungsanlage und zusätzlicher Energiezwischenspeicher.
Landwirtschaftliche Betriebe mit einem Jahresenergieverbrauch von mehr als 100.000 kWh bezahlen neben der verbrauchten elektrischen Energie meist auch für den maximalen Leistungsbezug im 15 Minuten Mittelwert. Dieser maximale Leistungsbezug lässt sich durch ein Lastmanagement reduzieren. Dabei werden nicht oder wenig zeitkritische Verbraucher je nach momentaner Gesamtleistungsaufnahme aktiviert oder deaktiviert. Das Lastmanagement kann zusätzlich eingesetzt werden, um die Eigenstromnutzung von Energieerzeugungsanlagen zu erhöhen [4].
Hier folgen passende Praxisbeispiele von FARMPRAXIS.
Dipl. Ing. (FH) Rainer Kock, Technischer Mitarbeiter im Experimentierfeld Betriebsleitung und Stoffstrommanagement - Vernetzte Agrarwirtschaft in Schleswig-Holstein (BeSt-SH)