Die Grundlage der Entwicklung von neuen Managementansätzen ist die Gewinnung und Auswertung von Daten. In der landwirtschaftlichen Tierhaltung ermöglicht die digitale Erfassung, Dokumentation und Analyse von tierbezogenen Daten die Möglichkeit, das Management zu vereinfachen und zu verbessern. Vernetzte Sensoren, wie Pedometer, erfassen Kenndaten am Tier (z. B. Aktivität, Liege- und Fressverhalten) und können anhand der Analyse frühzeitig identifizieren, welche Tiere gesundheitliche Probleme haben, sodass diese dann entsprechend versorgt werden können. Frühzeitig erkannte Probleme werden mit Handlungsempfehlungen gestützt [2]. Im anhaltenden Strukturwandel der Landwirtschaft und bei sich vergrößernden Betrieben und steigender Tierleistung können sie dazu beitragen, die Gesundheit tierindividuell zu erfassen und zu verbessern [8]. Zudem kann der Datenaustausch mit Behörden bzw. Einrichtungen, Dienstleistern oder anderen Unternehmen stattfinden – und externe Daten automatisiert integriert werden (z. B. Wetterdaten, Tiergesundheitsdaten, Fütterungsdaten) [2].
Das Management der Herde ist das Schlüsselelement der Tierhaltung und folglich anspruchsvoll. Es beeinflusst sowohl Leistungsparameter wie Milchmenge und -qualität als auch das Wohlergehen der gehaltenen Tiere. Management ist aber nur der Oberbegriff. Es kann in unterschiedliche Teilgruppen gegliedert werden, denen jeweils andere Managementbereiche zugeteilt sind (Abb. 1). Die Beschreibung von Stoffwechselstörungen und anderen Erkrankungen gehört zusammen zum „Gesundheitsmanagement“, dennoch werden diese getrennt betrachtet [2].
Krankheiten und andere Beeinträchtigungen frühzeitig zu erkennen, soll Antrieb für verschiedene Akteure sein, neue Technologien zu entwickeln. Diese sollen in ihrer Präzision steigen und Behandlungen schnell vorschlagen. Jede Gruppe in diesem Bereich hat andere Motivationsgründe. Im Allgemeinen sind aber die folgenden Ziele Auslöser für die Forschung [2]:
Mit dem „Digitalen Herdenmanagement“ werden folgende Ziele angestrebt [2]:
In landwirtschaftlichen Betrieben hängt der Erfolg nicht nur von der Leistung der Tiere ab, sondern primär von deren Gesundheitsstatus [4].
In der nachfolgenden Tabelle sind die in Deutschland gängigsten Herdenmanagement- Anwendungen mit ihrem Einsatzgebiet und den wichtigsten Funktionen dargestellt:
Tabelle 1: Marktübersicht verschiedener Herdenmanagement- Anwendungen
| System / Anbieter | Zielgruppe / Einsatzgebiet | Hauptfunktionen / Besonderheiten |
| UNIFORM‑Agri (inkl. Cloud-Variante KUHLink) | Milchviehhalter, Mutterkuh-, Zucht- und Rinderbetriebe | Modular aufgebaut; erlaubt Milch- und Rinderbestandsführung, Schnittstellen zu Melk-, Fütterungs- und Sensortechnik, Analysemodul — mit mobiler App und cloudbasierter Herdenverwaltung [9] |
| MilkingCloud | Milchvieh-, Zucht- und Mastbetriebe, flexibel für verschiedene Herdentypen | Verwaltung von Milch- & Milchleistungsdaten, Gewicht, Futterration (für Milchkühe oder Mast), Gesundheits- und Trächtigkeitsmanagement, App-basiert und mit Gruppenverwaltung [10] |
| QMilch | Milchvieh- und Mastbetriebe, kleinere bis mittlere Herden | Einfache Tier- und Bestandsverwaltung, Milchleistung, Zellzahlen, Besamung / Zucht, Klauen- und Gesundheitsdaten; mobil nutzbar; übersichtliche Arbeitslisten und HIT-/Zuchtverbands-Anbindung [11] |
| BouMatic HerdMetrix | Milchviehbetriebe, insbesondere mit moderner Melk-/Automatisierungstechnik | Zentralisierte Herdenführung: Milch-, Leistungs- und Gesundheitsdaten, Berichte & Aktionslisten, mobile Dateneingabe, gut geeignet für Betriebe mit hoher Automatisierung oder mehreren Standorten [12] |
| GEA DairyNet / GEA DairyPlan C21 | Milchvieh- und Betriebe mit automatischer Melk- und Fütterungstechnik | Modularer Aufbau: Grundherdenverwaltung bis zu Melk-, Fütterungs- und Sortier-Modulen, Echtzeitdaten-Analyse, Schnittstellen zu Sensorik und Technik — geeignet für größere, technisierte Höfe [13] |
| Lely Horizon | Milchviehbetriebe mit automatisierter Melk- oder Fütterungstechnik, moderne Ställe | Herden- & Betriebsmanagement mit Fokus auf Tiergesundheit und Automatisierung; Analysen, Behandlungs- und Gesundheitspläne, Datenintegration aus Melkrobotern/Sensorik [14] |
| NETRIND | Milchvieh, Fleischrinder, Zucht, Bestandsmanagement | Web-basiert, Daten für Milchleistungsprüfung, Besamungs-/Geburtsmeldung, Zucht- und Leistungsdaten, Mast- und Fleischrinder-Version, mobile App verfügbar [15] |
| DairyComp | Milchviehbetriebe mit Bedarf an detaillierten Auswertungen / Analysen | Umfassende Datenauswertung, Anpassbarkeit, tiefe Analysen von Milchleistung, Gesundheit, Reproduktion, individuell konfigurierbar; gute Wahl bei komplexen Betrieben und Zucht [16] |
| HERDEplus (oft: via dsp-Agrosoft) | Milchvieh-, Mutterkuh- oder Mastbetriebe – General-Herdenverwaltung & Dokumentation | Bestandsführung, Milchleistungsprüfung, Fruchtbarkeit / Besamung, Gesundheits- und Gesundheitskontrolle, Dokumentation, Berichte & Analysen — geeignet für klassische Betriebsführung ohne zwingende Technik-Anbindung [17] |
| CowManager | Milchvieh- und Zuchtbetriebe mit Sensorik / Aktivitäts- & Gesundheitsmonitoring | Sensorbasierte Überwachung: Aktivität, Fress-/Wiederkauverhalten, Brunst, Gesundheit; kann mit klassischen Herdensystemen gekoppelt werden [18] |
Die im vorigen Abschnitt aufgeführten Herdenmanagement- Systeme stellen eine Übersicht über alle relevanten Informationen einer Milchviehherde zusammen. Dazu werden verschiedene Sensoren eingesetzt, die zur Erfassung verschiedener Messgrößen geeignet sind. Alle Geräte bilden erst mit anderen Komponenten ein System: Zum Einen ist der Transponder zu nennen. Er ist das Bauteil, welches an der Kuh befestigt wird. Der Receiver empfängt die Daten, sammelt sie und leitet sie an den Server weiter. Dieser wiederum verarbeitet die Daten und schickt sie an das entsprechende Endgerät (PC, Smartphone oder ähnliches). In einem Herdmanagementsystem werden alle wichtigen Daten und Abläufe rund um die Tiere und den Betrieb gebündelt und als Grafiken oder Zahlen dargestellt, um Landwirten eine übersichtliche, zentrale Steuerung und Kontrolle zu ermöglichen (Abb. 2) [5].
Die Wirtschaftlichkeit der Anschaffung von Sensorsystemen und eines digitalen Herdenmanagementprogramms hängt von den betrieblichen Rahmenbedingungen ab [2]. Daher müssen die Spannweiten aller zu berücksichtigenden Variablen betrachtet werden. Nur so kann von Betrieb zu Betrieb abgewogen werden, wie nützlich eine Investition ist. Eine Modellkalkulation hat folgenden Grundbaustein gelegt:
Verglichen mit rein optischer Brunsterkennung hat der Sensor trotz gleicher Erkennungsrate von 90 % die weiteren Vorteile, dass er auch bei schwachen Anzeichen durch steigende Milchleistung und Hitzestress erkennt und zudem weniger Zeitaufwand benötigt. Aufgrund der zusätzlichen Empfehlungen zur Besamung können Kosten eingespart werden [2]. Über alle berücksichtigten Parameter hat sich gezeigt, dass in diesem Fall eine Investition rentabel ist (Abb. 3).
Bayerische Landwirte können für Pedometer und Kamerasysteme Zuschüsse erhalten, durch die sich eine Anschaffung der Sensoren finanzielle noch mehr lohnt [6].
Für Digitales Herdenmanagement sind tierbezogene Sensoren die Grundlage. Die meisten Sensoren gibt es für Rinder (Abb. 4).
Pedometer also „Fuß- bzw. Beinsensoren“ erfassen hierbei die Aktivität, das Lauf- und Liegeverhalten sowie die Fresszeit. Dadurch schafft es der verbaute Sensor die Brunst zu erkennen. Grund dafür ist, dass in der Vorbrunst das Tier deutlich aktiver ist und dementsprechend eine höhere Schrittzahl (Bewegungsimpuls) zurücklegt. Dem Landwirt erleichtert dies die Reproduktion. Zusätzliche Induktionsschleifen erkennen auch den Aufenthaltsort des Tieres. Zusätzlich können Pedometer im Bereich des Gesundheitsmanagement als Abkalbe-Sensoren die Tierkontrolle erleichtern und dadurch Geburtsprobleme identifizieren & minimieren sowie bei der Kontrolle zur Nachversorgung der Kühe und Kälber unterstützen. Pedometer-Tests auf die Genauigkeit der Abkalbevorhersage zeigen allerdings, dass ihre Effektivität deutlich geringer ist als die von Sensoren am Schwanz oder im Netzmagen [2].
Im Digitalen Herdenmanagement existieren noch viele weitere Sensoren, allerdings handelt es sich hierbei nicht um Pedometer bzw. Bewegungssensoren sondern um Sensoren anderer Art. Auf viele dieser Sensoren wurde unter anderem beim Begriff Halsbandsensor eingegangen. Sensoren solcher Art können unter Umständen auch die Reduktion von Düngemitteln hervorrufen [7].
Die landwirtschaftliche Digitalisierung kann mit dem Einsatz von Technologie zur „Weide 4.0“ beitragen. Weidehaltung ist eine naturnahe Form der Grünlandbewirtschaftung, steht aber nicht im Fokus der Digitalisierung. Weidemanagement benötigt exakte Planung und schnelles Handeln. Ziel ist es, verfügbares Weidefutter und Bedarf der Tiere auf einen Nenner zu bringen. Daraus können niedrigere Krankheitszahlen resultieren. Werden Daten eines Aktivitätssensors mit denen eines Pedometers kombiniert, so kann der Einfluss der Beweidung bewertet und Umwelt- und Ökosystemleistung des Grünlandes quantifiziert werden. Rationsplanungen können so zielführender durchgeführt werden und Veterinärmediziner erhalten wichtige Ansätze bei Herdenbetreuung [1].
In digitalen Herdenmanagementsysteme fließen diese Daten zusammen, denn sie sind die zentrale Verwaltungsstelle eines modernen Milchvieh- oder Rinderbetriebs — sie strukturieren, dokumentieren und analysieren alle relevanten Informationen und helfen, Betrieb und Herde effizient, transparent und planbar zu führen. Sie geben einen Überblick über die wichtigsten Informationen und den aktuellen (Gesundheits-)Zustand der Herde:
Tieridentifikation & Erfassung: Jede Kuh bzw. jedes Tier bekommt eine eindeutige Kennung (z. B. via Ohrmarke, RFID, Barcode etc.). Das System speichert Herkunft, Alter, Zucht- bzw. Geburtsdaten, Gesundheits- und Leistungsdaten. So ist jeder einzelne Tier-„Lebenslauf“ dokumentiert [19].
Daten-Erfassung & Monitoring: Über Sensorik, Melkautomaten oder manuelle Eingaben werden laufend Daten gesammelt — etwa Milchleistung, Milchqualität, Gesundheit, Aktivitäts- oder Fressverhalten, Gewicht und Futteraufnahme [20].
Analyse & Auswertung: Die Software wertet die Daten aus — etwa Milchleistung über Zeit, Gesundheitstrends, Fruchtbarkeit, Produktionskennzahlen. Damit können Leistung sinkende Tiere, brünstige Kühe, Krankheiten oder Produktionsengpässe früh erkannt werden [21].
Management & Automatisierung: Herdenmanagement-Systeme ermöglichen das Verwalten von Bestandsbewegungen, Gruppenbildung, Besamungen, Tiergesundheit, Fütterung und Melkzeiten. Bei Systemen mit Technik-Integration können Daten z. B. automatisch aus Melkanlagen oder Sensoren übernommen werden — das reduziert manuelle Arbeit und sorgt für Aktualität [13].
Entscheidungshilfe & Nachhaltigkeit: Mit übersichtlichen Berichten, Warnmeldungen und historischen Daten hilft die Software, fundierte Entscheidungen zu treffen — z. B. wann inseminieren, behandeln, austauschen, füttern — und trägt damit zur Tiergesundheit, Effizienz und Betriebsplanung bei [20].
Digitale Hilfsmittel stehen in der Landwirtschaft, speziell im Herdenmanagement, genügend zur Verfügung. Sie helfen dabei, Probleme frühzeitig zu erkennen und Handlungsempfehlungen vorzuschlagen. Bei Fluchttieren, wie es das Rind ist (zeigt sich nicht krank), ist dies besonders wertvoll. Unter dem Aspekt der betrieblichen Eigenkontrolle sorgen sie für eine erhöhte Transparenz in der Wertschöpfungskette. Auch wenn die Sensoren schon erfolgreich ihre Arbeit leisten, fehlt es noch an konkreten richtigen Handlungsempfehlungen. Ebenso ist eine autonome Durchführung noch nicht möglich, da der Sensor lediglich Brunsten meldet, aber die Kuh nicht eigenständig besamen kann. Das muss weiterhin der Landwirt kontrollieren und die Maßnahme in die Wege leiten. Viele verschiedene Technologien und Anbieter erlauben es nicht, diese miteinander zu kombinieren, weshalb sich häufig auf ein System fokussiert werden sollte. Es würde Sinn machen, eine Technologie oder Systemarchitektur wie beim ISOBUS im Ackerbau zu entwickeln, der als Basis dient und eine Kompatibilität erlaubt [2].
Im Endeffekt muss sich der Anwender solcher Systeme verschiedene Fragen stellen, die von der Sinnhaftigkeit über die Komptabilität bis hin zu Fragen, die im Nachhinein auftauchen, wenn es Probleme gibt (Technischer Support, Lehrveranstaltungen zum Umgang etc.). Das System muss zum Betrieb passen und leicht anwendbar sein, damit es auch vollumfänglich genutzt wird. Die dann erreichbaren Vorteile sind zugunsten der Arbeitserleichterung und der Tiergesundheit [2].
M.Sc. Ruben Soth, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein
Philipp Krautkrämer, B. Sc., Projektmitarbeiter EF DiKI Südwest, LVAV Hofgut Neumühle